Vitaminpräparate in Form von Tabletten, Kapseln und Sirups sind fest in unser Leben integriert. Werbung und Propaganda haben ihre Arbeit getan – viele beginnen ihren Tag mit einer Tablette, die Vitamine und Mineralstoffe enthält. Einige bevorzugen multivitaminhaltige Arzneimittel, andere nehmen Nahrungsergänzungsmittel (NEM) ein. Der Inhalt der Präparate ist im Grunde genommen ähnlich.
Wie lief die Studie ab?
Die sensationelle Studie wurde nach strengsten Standards von einer Gruppe von Wissenschaftlern durchgeführt, die der Cochrane Collaboration angehören. Dies ist eine einflussreiche internationale Organisation, die sich mit der Überprüfung klinischer Studien zu Arzneimitteln, Nahrungsergänzungsmitteln und verschiedenen Behandlungsmethoden befasst. Dafür wird eine so genannte Metaanalyse verwendet: Alle Studien zu einem bestimmten Thema werden gesammelt, diejenigen, die korrekt durchgeführt wurden (in der Wissenschaft gibt es sehr viel offensichtlichen „Schmus“), ausgewählt und ihre Daten zusammengefasst und erneut berechnet. Dank dieses Ansatzes, der sehr große Personengruppen zusammenführt, können neue und unerwartete Erkenntnisse gewonnen werden.
Nullergebnis bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebsprävention
Schon vor zwei Jahren wurden in The Lancet die Ergebnisse einer sehr großen Studie, der Heart Protection Study, veröffentlicht. An ihr nahmen mehr als 20.000 Personen mit hohem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen teil. Dabei wurden die schützenden Wirkungen eben jener Antioxidantien – Beta-Carotin und die Vitamine C und E – untersucht. Das Ergebnis: Null. Während der fünfjährigen Beobachtung verhinderten die Präparate weder Herzinfarkte noch Schlaganfälle und verschiedene Krebserkrankungen. Obwohl der Gehalt der Vitamine im Blut anstieg, wirkten sie nicht.
Die Moleküle sind entscheidend
Warum bestätigt sich die wissenschaftliche Theorie in der Praxis nicht? Offenbar liegt es an der Chemie: Antioxidantien in Obst und Gemüse funktionieren, aber dieselben Substanzen aus dem Reagenzglas nicht. Biochemikern sind solche Fälle gut bekannt, bei denen „lebendige“ Moleküle sich anders verhalten als ihre synthetischen Kopien. Oft hängt dies mit Isomerie zusammen – einem Phänomen, bei dem identische Moleküle eine unterschiedliche räumliche Anordnung der Atome aufweisen. Hier kann man an sogenannte Transfette erinnern, die sich anders verhalten als natürliche Fette mit derselben molekularen Zusammensetzung. Oder an den in der Lebensmittelindustrie weit verbreiteten Geschmacksverstärker Natriumglutamat, der ebenfalls in zwei Isomeren existiert: Natürliches Glutamat aus natürlichen Quellen unterscheidet sich vom synthetischen. Darüber hinaus sind die „lebendigen“ Vitamine in Früchten und Gemüse immer mit einer Vielzahl begleitender Substanzen „verunreinigt“, die oft eine nützliche Rolle spielen. Die reinen chemischen Vitamine entbehren dieser Eigenschaften.
Häufig gestellte Fragen
Können synthetische Vitamine schädlich sein?
Ja, laut Studien können synthetische Vitamine sogar das Sterberisiko erhöhen.
Wie konnte man das herausfinden?
Eine Gruppe von Wissenschaftlern der Cochrane Collaboration hat mehrere frühere Studien mit über 170.000 Teilnehmern zusammengefasst und analysiert.
Was haben die Studien gezeigt?
Die Ergebnisse zeigten, dass Kombinationen von Beta-Carotin mit den Vitaminen A und E das Sterberisiko deutlich erhöhen können – um fast 30% mit Vitamin A und 10% mit Vitamin E.
Gab es nicht schon früher Warnungen vor solchen Vitaminen?
Ja, schon 1998 warnten die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) vor der Verwendung von Beta-Carotin und ähnlichen Stoffen zur Krebsprävention, da sie das Krebsrisiko bei Rauchern erhöhen können.
Warum scheinen synthetische Vitamine nicht zu wirken?
Offenbar liegt es an Unterschieden in der Molekülstruktur: Antioxidantien aus natürlichen Quellen wie Obst und Gemüse haben eine andere Wirkung als ihre synthetischen Kopien aus dem Labor.