Historischer Überblick[Bearbeiten]


In Ländern mit hohem Maiskonsum, besonders in Italien und Nordamerika, ist seit Jahrhunderten eine Krankheit bekannt, die als Pellagra (von italienisch pelle agra – „raue Haut“) bezeichnet wird. 1914 postulierte Funk einen Zusammenhang dieser Krankheit mit einem Mangel an bestimmten Nährstoffen. Einige Jahre später zeigten Goldberger und Mitarbeiter, dass Pellagra durch Zugabe von frischem Fleisch, Eiern und Milch zur Ernährung verhindert werden kann. Goldberger entwickelte später ein hervorragendes experimentelles Pellagra-Modell („schwarze Zunge“) bei Hunden mit unzureichender Ernährung. Zunächst wurde angenommen, dass Pellagra durch einen Mangel an essentiellen Aminosäuren verursacht wird, aber bald wurde gezeigt, dass diese Krankheit durch einen der hitzestabilen Faktoren in wasserlöslichen Vitamin-B-Präparaten verhindert werden kann.

1935 isolierten Warburg und Mitarbeiter aus Pferderythrozyten das Nikotinamid als Bestandteil des Coenzyms. Dies lenkte die Aufmerksamkeit auf die Rolle der Nikotinsäure in der Ernährung. Da bekannt war, dass Pellagra beim Menschen und die „schwarze Zunge“ bei Hunden durch Leberextrakte geheilt werden, fand Elvehjem 1937 bei der Analyse solcher Extrakte Nikotinamid und zeigte, dass genau dieses für die heilende Wirkung verantwortlich ist. Später wurde festgestellt, dass auch synthetische Nikotinsäure-Derivate eine ähnliche Wirkung haben. Goldberger und Tanner hatten zuvor gefunden, dass bei Pellagra auch die Einnahme von Tryptophan hilft. Später stellte sich heraus, dass dies mit der Umwandlung von Tryptophan in Nikotinsäure zusammenhängt. Eine Ernährung mit geringem Gehalt an Nikotinsäure und Tryptophan führt beim Menschen zur Pellagra (Goldsmith, 1958).

Um Nikotinsäure nicht mit dem Alkaloid Nikotin zu verwechseln, wird sie manchmal auch als Niacin bezeichnet. Heutzutage tritt Pellagra in den USA sehr selten auf, wahrscheinlich weil seit 1939 Nikotinsäure dem Mehl zugesetzt wird.

Pharmakologische Wirkung[Bearbeiten]


Nikotinsäure und Nikotinamid erfüllen im Körper die gleichen Funktionen. Ihre pharmakologischen Eigenschaften unterscheiden sich jedoch, da Nikotinamid nicht direkt aus Nikotinsäure, sondern erst beim Abbau von NAD entsteht. Die toxische Wirkung von Nikotinsäure beim Menschen (Flush, Juckreiz, Magen-Darm-Funktionsstörungen, Verschlimmerung von Geschwüren) tritt normalerweise erst bei hohen Dosen (2-6 g/Tag) auf, die manchmal zur Behandlung von Hyperlipoproteinämie eingesetzt werden.

Biologisch aktive Formen der Nikotinsäure, NAD und NADP, spielen eine zentrale Rolle im Stoffwechsel als Cofaktoren in zahlreichen Oxidations-Reduktions-Reaktionen der Zellatmung. Indem sie an entsprechende Dehydrogenasen binden, wirken diese Cofaktoren als Oxidationsmittel: Sie nehmen Elektronen und Wasserstoff von Substraten auf und gehen in die reduzierte Form NADH und NADPH über. Diese werden wiederum von Flavoproteinen oxidiert. NAD dient auch als Donor der ADP-Ribosyl-Gruppe bei Übertragungsreaktionen auf Proteine.

Mangelsymptome[Bearbeiten]


Nikotinsäuremangel führt zur Entwicklung von Pellagra. Bei Pellagra sind vor allem Haut, Verdauungstrakt und Nervensystem betroffen. Das Trias der Symptome – Dermatitis, Diarrhö und Demenz – wird oft als „Drei-D-Syndrom“ bezeichnet. Heute tritt Pellagra am häufigsten bei Alkoholismus, Protein-Energie-Mangelernährung und Mangel an mehreren Vitaminen auf.

Bedarf[Bearbeiten]


Der Bedarf an Nikotinsäure kann nicht nur durch diese selbst, sondern auch durch Nikotinamid und Tryptophan gedeckt werden. Daher beeinflusst die Menge und Qualität des Proteins in der Ernährung den Nikotinsäurebedarf. Etwa 60 mg Tryptophan entsprechen im Durchschnitt 1 mg Nikotinsäure. Orale Kontrazeptiva verlangsamen die Umwandlung von Tryptophan in Nikotinsäure. Der Mindestbedarf an Nikotinsäure (einschließlich der aus Tryptophan entstehenden) beträgt durchschnittlich 4,4 mg/1000 kcal. Der Tagesdurchschnittsbedarf liegt bei 14 mg für Frauen und 16 mg für Männer.

Nahrungsquellen[Bearbeiten]


Quellen für Nikotinsäure sind Leber, Fleisch, Fisch, Geflügel, Nüsse und Hülsenfrüchte sowie angereichertes oder Vollkornbrot und -getreide. Tryptophan ist vor allem im tierischen Eiweiß reichlich enthalten.

Anwendung[Bearbeiten]


Nikotinsäure, Nikotinamid und ihre Derivate werden zur Vorbeugung und Behandlung von Pellagra eingesetzt. Bei akuter Pellagra sind hohe Dosen erforderlich, oft bis zu 500 mg pro Tag oral oder intravenös. Nikotinsäure in Grammdosen senkt auch die Konzentrationen von Cholesterin, Triglyzeriden, LDL-Cholesterin, Fibrinogen und Lipoprotein(a) im Plasma, weshalb sie bei Hyperlipoproteinämien eingesetzt wird.

Häufig gestellte Fragen

Was ist Nikotinsäure?

Nikotinsäure, auch als Vitamin B3 oder Niacin bekannt, ist ein essenzielles Vitamin, das wichtige Funktionen im Körper erfüllt.

Welche Funktionen hat Nikotinsäure im Körper?

Nikotinsäure ist Bestandteil der Coenzyme NAD und NADP, die an zahlreichen Oxidations-Reduktions-Reaktionen im Stoffwechsel beteiligt sind. Sie spielen eine zentrale Rolle in der Zellatmung.

Wo kommt Nikotinsäure in der Nahrung vor?

Nikotinsäure findet sich in Leber, Fleisch, Fisch, Geflügel, Nüssen, Hülsenfrüchten sowie angereichertem oder Vollkornbrot und -getreide. Auch Tryptophan aus tierischem Eiweiß kann im Körper in Nikotinsäure umgewandelt werden.

Wie hoch ist der Bedarf an Nikotinsäure?

Der Mindestbedarf an Nikotinsäure liegt durchschnittlich bei 4,4 mg pro 1000 kcal. Der Tagesdurchschnittsbedarf beträgt 14 mg für Frauen und 16 mg für Männer.

Was passiert bei Nikotinsäuremangel?

Nikotinsäuremangel führt zur Pellagra-Krankheit. Charakteristische Symptome sind Hautveränderungen, Durchfall und Demenz.

Wie wird Nikotinsäure therapeutisch eingesetzt?

Nikotinsäure, Nikotinamid und deren Derivate werden zur Vorbeugung und Behandlung von Pellagra eingesetzt. In hohen Dosen kann Nikotinsäure auch zur Senkung von Blutfettwerten verwendet werden.

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