Die Entwicklung von Krebserkrankungen ist ein äußerst komplexer Prozess, bei dem sich im Laufe der Zeit genetische Defekte in den Krebszellen ansammeln, die zu unkontrollierter Zellteilung führen. Daher werden verschiedene Ansätze der Gentherapie entwickelt, um diese Defekte zu korrigieren oder auszugleichen. Mehr als die Hälfte aller genehmigten klinischen Studien zur Gentherapie zielen auf die Behandlung von Krebserkrankungen ab.

Inaktivierung von Onkogenen

Bekannte onkogene Proteine, die für bestimmte Krebsarten charakteristisch sind, können durch Hemmung ihrer Expression auf Transkriptions- oder Translationsebene unterdrückt werden. Dafür werden häufig Antisense-Oligonukleotide eingesetzt, auch wenn deren Wirksamkeit aufgrund mangelnder Selektivität und Effektivität der Anreicherung in Tumorzellen begrenzt ist. Eine vielversprechendere Methode ist die Verwendung des adenoviralen Proteins E1A, das die Transkription des Onkogens ERBB2 blockiert und somit für die Behandlung von Brust- oder Eierstockkrebs geeignet sein könnte.

Aktivierung von Tumorsuppressorgenen

Über 24 Tumorsuppressorgene sind heute bekannt, deren Mutationen in vielen Krebsarten vorkommen. Daher wurde versucht, diese mutierten Gene in Tumorzellen zu ersetzen oder zu korrigieren. In mehreren klinischen Studien wird die Fähigkeit adenoviraler Vektoren getestet, die Synthese des p53-Proteins in verschiedenen Krebsarten zu verstärken. Auch die Gene Retinoblastom und BRCA1 wurden mit Hilfe viraler Vektoren in Blasen- und Eierstockkrebszellen eingebracht, was sich teilweise als wirksam erwies, aber nicht immer, da der mutierte Gen-Allel einen dominanten negativen Effekt haben kann.

Selbstmord der Tumorzellen

Ein vielversprechender Ansatz ist die genetische Modifikation von Tumorzellen, damit sie einen verabreichten Vorstufen-Wirkstoff in ein toxisches Produkt umwandeln und sich so selbst abtöten. Dafür wird häufig das Herpes-simplex-Virus-Thymidinkinase-Gen genutzt, das den Vorstufen-Wirkstoff Ganciclovir in ein toxisches Triphosphat umwandelt. Allerdings ist die Selektivität dieses Ansatzes begrenzt, da auch normale Zellen, insbesondere Leberzellen, empfindlich gegenüber dem toxischen Metaboliten sein können. Eine Kombination von zwei oder mehr solchen „Selbstmord“-Enzymen könnte die Wirksamkeit durch verschiedene Mechanismen erhöhen.

Schutz normaler Zellen

Durch Übertragung resistenz-vermittelnder Gene, wie dem ABCB1-Gen (MDR-1), das für den P-Glykoprotein-Efflux-Transporter kodiert, können normale Knochenmarkszellen vor den toxischen Wirkungen hochdosierter Chemotherapie geschützt werden. Dies ermöglicht den Einsatz höherer, wirksamerer Dosen von Zytostatika gegen den Tumor. Klinische Studien haben gezeigt, dass dieses Prinzip grundsätzlich funktioniert, auch wenn die Effizienz der Transfektion und die Dauer der Genexpression bisher begrenzt sind.

Onkolytische Viren

Einige Viren, wie Adenoviren und Herpes-simplex-Virus Typ 1, können Tumorzellen infizieren und lysieren. Im Gegensatz zu den meisten Gentherapie-Methoden, die die Vermehrungsfähigkeit der Viren unterdrücken, ist für diesen Ansatz gerade die Virusreplikation in den Tumorzellen erforderlich, um diese zu zerstören. Dafür werden die viralen Replikationsgene unter die Kontrolle tumorspezifischer Promotoren gestellt oder virale Gene, die für die Replikation in Normalzellen nötig sind, entfernt. So wird die selektive Zerstörung von Tumorzellen erreicht, wobei die Menge des Virus in den Tumorzellen durch die Ausbreitung der Infektion sogar zunimmt.

Häufig gestellte Fragen

Was ist Gentherapie?

Gentherapie ist eine Form der Behandlung, bei der genetisches Material in Zellen eingebracht wird, um bestehende Gendefekte zu korrigieren oder neue, gewünschte Funktionen in den Zellen zu erzeugen.

Wie kann Gentherapie bei Krebserkrankungen eingesetzt werden?

Es gibt verschiedene Ansätze der Gentherapie gegen Krebs:
– Inaktivierung von Onkogenen
– Aktivierung von Tumorsuppressorgenen
– Erzeugung des „Selbstmords“ in Tumorzellen
– Schutz normaler Zellen vor Chemotherapie
– Einsatz onkolytischer Viren, die Tumorzellen selektiv zerstören

Welche Herausforderungen gibt es bei der Gentherapie von Krebs?

Hauptherausforderungen sind:
– Effiziente Transfektion aller Tumorzellen
– Selektive Wirkung nur auf Tumorzellen, nicht auf gesunde Zellen
– Adressierung von Metastasen in verschiedenen Organen
– Genetische Heterogenität von Tumorzellen, die oft mehrere Ansätze erfordert

In welchem Stadium befinden sich klinische Studien zur Gentherapie von Krebs?

Mehr als die Hälfte aller genehmigten klinischen Studien zur Gentherapie fokussieren sich auf Krebserkrankungen. Viele vielversprechende Ansätze befinden sich in klinischer Erprobung, haben aber zum Teil noch Limitationen bei Wirksamkeit und Selektivität.

Welche Zukunftsperspektiven hat die Gentherapie von Krebs?

Die Gentherapie bietet großes Potenzial für neuartige, zielgerichtete Krebsbehandlungen. Mit zunehmender Überwindung technischer Hürden könnte sie künftig eine wichtige Rolle in der Krebstherapie spielen – entweder als eigenständige Behandlung oder in Kombination mit anderen Methoden.

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