Vitamin B1 (Thiamin)[bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Historischer Überblick[bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Thiamin (Vitamin B1) war das erste entdeckte Vitamin aus der Gruppe der B-Vitamine. Bei Mangel an diesem Vitamin entwickelt sich eine Form der Polyneuropathie, die als Beriberi bezeichnet wird. Im 19. Jahrhundert, als die Produktion von poliertem Reis, der von den vitaminreichen Kleien befreit war, zunahm, verbreitete sich diese Krankheit in Ostasien stark. Der Zusammenhang zwischen Beriberi und Ernährung wurde erstmals 1880 geklärt, als es Admiral Taka gelang, die Beriberi-Häufigkeit bei japanischen Seeleuten durch Hinzufügen von Fisch, Fleisch, Gerstenschrot und Gemüse zu ihrem Speiseplan deutlich zu senken. 1897 zeigte der niederländische Arzt Eijkman, der auf Java arbeitete, dass bei Hühnern, die mit poliertem Reis gefüttert wurden, eine ähnliche Polyneuropathie wie Beriberi auftrat, die durch Zugabe von Reiskleie oder deren Wasserextrakt geheilt werden konnte. Auch beim Menschen heilte Beriberi durch die Verabreichung von Reiskleie.
Physiologische Funktionen[bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Die B-Vitamine sind an vielen wichtigen Zwischenstoffwechselreaktionen beteiligt; einige dieser Reaktionen sind in Abbildung 63.1 dargestellt. Die physiologisch aktive Form des Thiamins, das Thiamindiphosphat, ist an Reaktionen des Kohlenhydratstoffwechsels beteiligt, indem es als Cofaktor bei der Decarboxylierung von α-Ketosäuren (Brenztraubensäure und α-Ketoglutarsäure) und im Pentosephosphatweg fungiert. In letzterem Fall dient Thiamindiphosphat als Cofaktor der Transketolase. Mit der biochemischen Rolle von Thiamin stehen einige metabolische Veränderungen bei Mangel in direktem Zusammenhang und haben klinische Bedeutung.
Symptome des Mangels[bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Schwerer Vitamin-B1-Mangel (Thiaminmangel) führt zur Erkrankung, die als Beriberi bezeichnet wird. In Asien steht sie im Zusammenhang mit dem Konsum von poliertem Reis, der dieses Vitamin verloren hat. In Europa und Nordamerika tritt Vitamin-B1-Mangel besonders häufig bei Alkoholikern auf, obwohl auch Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz in Dialysebehandlung und Patienten, die nur parenterale Ernährung erhalten, zur Risikogruppe gehören. Eine schwere Form des akuten Vitamin-B1-Mangels kommt auch bei Säuglingen vor.
Anwendung[bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Thiamin wird nur zur Behandlung und Vorbeugung von Vitamin-B1-Mangel eingesetzt. Für eine möglichst schnelle Heilung wird Thiamin üblicherweise intravenös bis zu 100 mg pro Liter Flüssigkeit verabreicht. Nach Beseitigung des Vitaminmangels entfällt die Notwendigkeit einer intravenösen Gabe oder der Einnahme höherer Dosen. Eine Ausnahme bilden Fälle mit Magen-Darm-Erkrankungen, die die Resorption des Vitamins behindern.
Vitamin-B1-Mangel kann sich auf verschiedene Weise manifestieren: von den Symptomen des Beriberi über das Wernicke-Korsakow-Syndrom bis hin zur alkoholischen Polyneuropathie. Da Thiamin beim Kohlenhydratstoffwechsel verbraucht wird, treten Symptome eines akuten Vitamin-B1-Mangels oft auf, wenn extrem geschwächten Patienten Glukose verabreicht wird. Solche Symptome wurden auch nach Beseitigung einer endogenen Hyperglykämie beobachtet. Daher sollte bei jedem Verdacht auf einen Thiaminmangel das Vitamin vor oder zusammen mit Glukose-Lösungen verabreicht werden; alle Alkoholkranken sollten schon in der Notaufnahme 50-100 mg Thiamin erhalten.
Kinder-Beriberi[bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Akuter Vitamin-B1-Mangel tritt bei Säuglingen auf; die Krankheit kann einen relativen Verlauf nehmen. In den Industrieländern ist diese Form des Beriberi selten, aber in Ländern, in denen die Bevölkerung viel Reis konsumiert, ist sie immer noch eine häufige Ursache für Kindersterblichkeit. Bei Säuglingen, deren Mütter an Vitamin-B1-Mangel leiden, leiden die Kinder ebenfalls unter Vitamin-B1-Mangel. Die Krankheit beginnt mit Appetitlosigkeit, Erbrechen und grünlichem Stuhlgang des Kindes. Dann treten periodisch Muskelkrämpfe auf. Diagnostisch bedeutsam ist die Aphonie, die durch eine Schädigung des Kehlkopfnerven bedingt ist. Schwere Herz-Kreislauf-Störungen werden beobachtet und ohne intensive Behandlung kann der Tod binnen 12-24 Stunden eintreten. In weniger schweren Fällen hilft die Gabe von 10 mg Thiamin pro Tag oral. Bei Schock kann man vorsichtig 25 mg Thiamin intravenös verabreichen, aber die Prognose bleibt ungünstig.
Häufig gestellte Fragen
Was ist Vitamin B1?
Vitamin B1, auch Thiamin genannt, ist ein essenzielles Vitamin, das für den Kohlenhydratstoffwechsel und verschiedene andere lebenswichtige Funktionen im Körper benötigt wird.
Welche Funktionen hat Vitamin B1 im Körper?
Vitamin B1 spielt eine wichtige Rolle im Kohlenhydratstoffwechsel, indem es als Cofaktor für Enzyme dient, die an der Umwandlung von Pyruvat und α-Ketoglutarat beteiligt sind. Außerdem ist es für den Pentosephosphatweg wichtig.
Was passiert bei Vitamin-B1-Mangel?
Bei einem Mangel an Vitamin B1 kann die Erkrankung Beriberi entstehen. Dabei können Störungen des Nervensystems (trockene Form) und des Herz-Kreislauf-Systems (feuchte Form) auftreten.
Wer ist besonders gefährdet, an Vitamin-B1-Mangel zu erkranken?
Besonders gefährdet sind Menschen, die viel Alkohol konsumieren, Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz in Dialysebehandlung sowie Säuglinge, deren Mütter an Vitamin-B1-Mangel leiden.
Wie wird Vitamin-B1-Mangel behandelt?
Zur Behandlung und Vorbeugung von Vitamin-B1-Mangel wird Thiamin verabreicht, oft intravenös in höheren Dosen, bis der Mangel behoben ist. In weniger schweren Fällen kann Thiamin auch oral supplementiert werden.